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Die geheimnisvolle Insel Teil 11

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6
Der Schwarze Herzog

Es klopfte an der Kajütentür.
„Sir“, hörte Alexander Black die dumpfe Stimme, „es gibt neue Entwicklungen, die Farragut läuft aus.“
„Ich komme gleich!“, rief er und setzte sich im Bett auf, „hol Madame Isadora aus ihrer Kajüte und bring sie her.“
„Ai, Sir.“
Er hörte wie sich sein Adjutant Alou im Laufschritt entfernte und erhob sich. Ein schadenfrohes Grinsen überzog sein ebenmäßiges Gesicht. Alou war ein schwarzer Riese, den er aus der Gefangenschaft befreit hatte, aber vor Madame Isadora zitterte er, wie ein kleines Kind. Es bereitete ihm einen diebischen Spaß Alou immer wieder mit dieser Angst zu konfrontieren und ihm seine Überlegenheit zu demonstrieren.
„Los, Schlampe“, knurrte er das Mädchen in seinem Bett an und riss ihr das Laken weg, „verschwinde.“
Das Mädchen setzte sich schlaftrunken auf. Das Lacken rutschte von ihren Schultern und gab ihren nackten Körper frei. An einigen Stellen konnte man dunkle Blutergüsse und Kratzer sehen, die gerade verschorften.
„Aber Sir“, sagte sie.
Alexander schlüpfte gerade in die glänzend gewienerten Stiefel. Das silberne Haar fiel ihm ins Gesicht. Er hob den Kopf und seine seltsamen hellgrauen Augen warfen dem Mädchen einen Blick zu, der sie verstummen ließ.
„Du wagst es, das Wort an mich zu richten“, seine Stimme war scharf wie Glas. Er richtete sich auf. Mit geschickten Fingern nahm er sein Haar zusammen und band es in einem dicken Zopf zusammen. Das Mädchen sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an, versuchte ihre Blöße mit dem Laken zu bedecken.
„Steh auf!“, er betonte jede Silbe.
Das Mädchen verließ das Bett. Zitternd mit gesenktem Kopf stand sie da. Das lange dunkle Haar reichte bist auf ihre Hüften.
„Glaubst du, weil ich dich gefickt habe, hat sich etwas an unserer Absprache geändert?“
Sie wollte gerade den Mund öffnen, als sie ein leises Geräusch hörte, den kalten Stahl spürte, der in ihren Körper eindrang. Beinahe geräuschlos sank sie zusammen.
„Ich hätte ihr doch die Zunge rausschneiden sollen“, murmelte Alexander.
Es klopfte.
„Ja?“
„Madame Isadora, Sir“, hörte er Alou.
Die Tür wurde geöffnet. Alou führte die Hexe in die Kajüte. Er blieb in sicherer Distanz. Bei jedem Blick, den sie ihm zu warf, machte er ein Kreuzzeichen. Alexander hatte ihm zwar erklärt, dass er schon längst seine Seele an den Teufel verkauft hatte, aber das änderte nichts an Alous Schrecken.
„Nun, Madame Isadora, wie ich sehe, geht es euch gut“, sagte Alexander mit einem süffisanten Grinsen. Er gab Alou ein Zeichen mit dem Kopf in Richtung des Mädchens. „Räum sie weg“, und zu Madame Isadora gewandt, „sagt was ihr braucht, der Rest geht an die Fische.“
Isadora zog die Augenbrauen hoch.
„Zunge, Augen, Ohren und ungefähr eine Flasche Blut“, zählte sie auf.
Alou zog den Dolch aus dem Herzen der Leiche, säuberte ihn mit einem Tuch und legte ihn seinem Herrn auf den Schreibtisch, dann hob er den leblosen Körper auf und brachte ihn hinaus. Armes Kind, dachte er, noch so jung, aber wenn der Herr sie braucht, um sich gut zu fühlen, wer bin ich ihn deswegen zu tadeln.
„Nun Madame Isadora, setzt euch.“
Alexander deutet auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Die Hexe setzte sich.
„Bolger ist unter Segel und unterwegs. Nachdem, was mir berichtet wurde, scheint er nicht auf Kapertour zu sein.“
„Und ich soll euch sagen, wo er hin fahren wird?“, fragte die Hexe.
„Es geht um eine Karte. Das heißt, es handelt sich wahrscheinlich um eine Insel. Ein Schatz wäre zu banal. Da muss etwas anderes dahinter stecken.“
„Ich werde mich darum kümmern“, sagte Isadora. Sie stand auf und verließ die Kabine. Draußen im Gang stand Alou mit einer Schüssel voller Blut und einem Leinensack. Wortlos nahm die Hexe den Sack und die Schüssel und machte sich auf den Weg in ihre Kabine. Alou machte ein Kreuzzeichen als sie ihm den Rücken zukehrte.
In ihrer Kabine bereitete sie alles vor um einen Winddämon zu rufen. Mit dem Blut malte sie seltsame Zeichen und Worte auf den Kabinenboden. Ein Teil des Blutes goss sie zwischen die Worte am Boden. Danach mischte sie Blut und einige Zutaten in einem Becher und fing an in einer unbekannten Sprache zu singen. Isadora setzte sich auf den Boden, trank den Becher aus und mit schwingenden Armbewegungen sang sie weiter in dieser Sprache. Plötzlich erschien ein leichter Nebel über den Boden.
„Dämon, nimm diese Augen um zu sehen was ich sehen will.“
Damit warf sie die Augen des Mädchens in den aufkommenden Nebel. Darauf folgten die Ohren.
„Nimm diese Ohren, damit du hörst, was ich hören will.“
Zum Schluss warf die Hexe die Zunge auf den Boden.
„Nimm diese Zunge und spreche, was ich sprechen will.“
Der Nebel bekam Umrisse. Es wirkte wie eine dünne menschliche Gestalt. Die Hexe hörte mit dem Gesang auf.
„Reite mit den Winden und finde Bolgers Schiff. Ich sehe und höre was du siehst und hörst. Finde ihn schnell!“
Die Gestalt zerfiel und der Nebel entwich durch das geöffnete Fenster. Er verharrte kurz und verschwand in der Dunkelheit.
Die Hexe stand auf und machte sich auf den Rückweg zur Kapitänskajüte.
Isabell dachte an den die Quelle des Paradieses, die sich laut den Legenden dort befinden sollte. Niemand wusste davon, nicht einmal Alexander. Sie hatte dieses Geheimnis sorgsam mit einem Zauber verborgen. Einmal daraus trinken und ich könnte von allem frei sein, ging es ihr durch den Kopf, der Fluch, der mich an diesen Wahnsinnigen fesselt wäre gebrochen.
Die Hexe klopfte an die Kajütentür.

© Caroline Susemihl / T.R. aka Wortman

Die geheimnisvolle Insel Teil 10

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„Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass ihr den Namen Halpin weiter tragen und auch so angeredet werden wollt, oder?, fragte Bolger.
„So ist es Andrew. Es muss nicht jeder wissen wer ich wirklich bin.“
„Das kleine Ding hat sicherlich noch größere Verwandtschaft. Was kann diese Kreatur anrichten?“
„Nein“, konterte Halpin, „Es gibt keine großen Verwandten. Diese Wesen sind so klein. Die Eingeborenen auf der Insel nennen sie Darys Visna, die Götter der Toten und Alptraum der Lebenden!“
John schaute etwas irritiert. „Was ist das für eine Bezeichnung?“
Halpin setzte sich auf einen der Stühle. „Sie fressen sich durch die Haut und fressen einen von innen heraus auf. Wenn derjenige stirbt, fressen sie sich wieder nach außen um ein neues Opfer zu finden. Daher der Begriff Götter der Toten, da sie aus ihnen heraus brechen. Der Alptraum der Lebenden erklärt sich von alleine. Zum Glück sind sie tagaktiv. Sonst würde wohl niemand mehr schlafen auf der roten Insel.“
„Rote Insel?“ Bolger und sein Quartiermeister fragten fast gleichzeitig. Dieser Begriff war ihnen nicht unbekannt. Schauermärchen gab es von dieser Insel. Sie sei so rot, weil das Blut eines Dämons dort vergossen worden war. Selbst das Wasser war zeitweilig rot. Krokodile in Menschengestalt streiften über die Insel und töteten alle, die diese Insel betraten. Im Inneren der Insel saß ein weiterer Dämon der eine Truhe mit einer wundersamen Waffe bewachte.
„Diese Insel ist ein Schauermärchen um Kindern Angst zu machen. Ein Hirngespinst. Niemand hat bisher diese Insel gesehen. Sie ist und bleibt ein Märchen,“ sagte Bolger im Brustton der Überzeugung.
Halpin griff in seine Manteltasche und holte eine kleine Rolle hervor.
„Was ist das,“ fragte John.
Andrew Bolger nahm die Rolle und breitete sie auf dem Tisch aus. Es war die Karte einer Insel, diverse Markierungen und Zeichen waren dort eingezeichnet.
„Captain Valmont, wollt ihr behaupten, dass wäre die Lagekarte der roten Insel?“, Bolger lehnte sich vor und betrachte die Karte stirnrunzelnd, „warum ist sie auf so seltsames Leder gemalt?“
„Das ist die rote Insel. Dort findet sich die Waffe um den Schwarzen Herzog ein für alle Mal auszulöschen.“ Halpin grinste selbstzufrieden. „Und das ist kein seltsames Leder, Andrew. Das ist Menschenhaut!“
„Menschenhaut?“ Bolgers Gesichtszüge sprachen Bände.
„Ja, Menschenhaut“, widerholte Halpin, „sie war einem Seemann auf den Rücken tätowiert. Als er das Zeitliche segnete, haben meine Männer ihm die Karte abgenommen.“
John verzog angewidert das Gesicht.
„Wenn die Insel tatsächlich existiert und wir eine Chance haben, den Herzog zu erledigen, dann lasst uns segeln!“, Bolger schlug mit der Faust auf den Tisch.
John betrachtete die glänzenden Augen der Männer skeptisch. Auch er wollte nichts lieber als den schwarzen Herzog am höchsten Mast hängen sehen, andererseits fragte er sich, welches Ziel Halpin verfolgte, nachdem der anfangs nicht besonders zugänglich gewesen war. John befürchtete, dass Bolger von dem unglückseligen Fieber des Alten angesteckt wurde, und nicht mehr klar erkennen konnte, welchen Zweck sie verfolgten.
Er glaubte nicht an die Ammenmärchen, die man über die Insel erzählte, aber dieses kleine rosa Ding, flößte ihm einen gewissen Respekt ein. Noch nie hatte er so ein merkwürdiges Wesen gesehen.
„Nun Mister DeMoor, ich habe den Eindruck ihr seid nicht begeistert?“, Captain Bolger sah seinem Quartiermeister die Vorbehalt an. „Es geht das Gerücht, der schwarze Herzog hat sich die Dienste einer üblen Hexe gesichert. Ich denke, wir können jede Hilfe gebrauchen, die wir kriegen können.“
„Ja, Sir“, erwiderte John, „ich hörte davon. Madame Isadora.“
„Dann sollte vor ihr auf der Hut sein“, Halpin legte die Stirn in Sorgenfalten. „Mit der Hexe ist nicht zu spaßen. Sie hat einst die Aurora in einen Sturm gejagt, der uns beinahe auf den Grund des Meeres gebracht hätte, wenn wir nicht einen so ausgezeichneten Steuermann gehabt hätten.“
John wollte noch etwas sagen, aber Captain Bolger ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Sagen sie der Mannschaft wir setzen Segel, Mister DeMoor!“
John nickte.
„Ja, Sir. Was soll ich mit dem Fremden anstellen? Unter Arrest setzen?“
Bolger lachte.
„Auf See kann er uns nicht entkommen und ein paar kräftige Hände mehr schaden nicht. Sie sind für ihn verantwortlich und behalten ihn im Auge!“
„Verstanden, Sir.“
John nickte und verließ die Kajüte des Captains.
An Oberdeck wartete Morris auf ihn.
„Was passiert jetzt mit mir?“
„Der Captain sagt, zwei helfende Hände können wir gebrauchen.“ John grinste Morris an. „Geh mit an die Ankerwinde. Wir segeln los.“
DeMoor gab einige Befehle. Der Bootsmann rief sie weiter über das Oberdeck. Die Männer kletterten in die Wanden und die Ankerkette wurde hochgezogen. Nachdem die Segel gesetzt waren, setzte sich das Schiff in Bewegung.
Als Bolger und seine Crew anfingen, war diese Brigg mit 12 Kanonen bestückt gewesen. Jeder hatte einen Teil seiner Prise gespendet und so wurde die Farragut im Laufe der letzten zwei Jahre auf 18 Kanonen erweitert. Das war eine gute Feuerkraft. Bolgers Siege veranlassten den ein oder anderen Handelskapitän dazu, sich zu ergeben, wenn Bolgers Flagge hochgezogen wurde.
Morris gesellte sich zu John.
„Wohin geht die Reise?“
„Sei nicht so neugierig Morris“, antwortete John. „Ich hoffe, du bist wenigstens geschickt im Umgang mit Waffen oder liegt dir mehr das Kanonieren?“
„Ich bleibe bei den Waffen.“
Morris hatte es fast vergessen, dass er sich auf einem Piratenschiff befand. Er war sich sicher, das hier war keine reine Kaperfahrt. Er hatte den alten Mann bisher noch nicht wieder gesehen. Was immer mit diesem Halpin war, er musste die Ohren aufhalten. Dieser Halpin schien eine Schlüsselposition inne zu haben.
Der Tag verlief ohne Zwischenfälle. Das zeigte Morris, sein Verdacht war richtig. Es ging um mehr als nur um die Jagd auf Handelsschiffe.

© Caroline Susemihl / T.R. aka Wortman

Die geheimnisvolle Insel Teil 9

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5.
Überraschung

Als Morris zu den drei anderen zurückkehrte, hatte sich sein Gesicht verfinstert.
„Was ist los mit ihnen?“, fragte Kat, der die Veränderung zuerst auffiel.
„Stapleton hat die Butchermen geholt“, sagte er kurz angebunden, von dem Gespräch, das sein Schwager mit Weston geführt und das er belauscht hatte, erwähnte er nichts, obwohl ihm die Wut den Hals zu schnürte. Er hatte für vieles Verständnis, in schweren Zeiten drückte man ein Auge zu, manchmal zwei, aber dass Stapelton mit dem üblen Weston gemeinsame Sache machte, war eindeutig zu viel.
„Wir gehen zurück“, sagte Morris, „ich denke, die Soldaten kehren in die Garnison zurück und setzen ihre Suche später fort.“
Der Morgen dämmerte, als John und die Anderen den Rückweg durch die Gänge antraten. Im Hellen war es einfacher im geschäftigen Treiben von Porto Verde unterzutauchen.
„Was tun wir jetzt?“, fragte Kat John atemlos.
Es fiel ihr schwer mit den langen Schritten des Quartiermeisters mitzuhalten.
„Wir machen uns aus dem Staub“, erwiderte er, „wir haben Halpin, die Karte und dieses komische rosa Ding.“
„Stimmt“, stellte Morris fest, „wir sollten weit weg sein, wenn die Butchermen hier eintreffen.“
„Wir!“
John wollte gerade eine harsche Erwiderung ausstoßen, als Halpin ihm den Ellenbogen zwischen die Rippen stieß.
„Stemm dich nicht gegen das Schicksal, Junge. Jede Begegnung hat ihren tieferen Sinn“, orakelte er.
John schüttelte unwillig den Kopf, sagte aber nichts.
„Da ist der Ausgang“, sagte Morris.
Sie gelangten problemlos auf die Straße. John ging voran. Er wollte so schnell wie möglich zurück auf die Farragut. Die Gruppe verließ die Stadt in westlicher Richtung. Ein paar Meilen weiter lag ihr Ruderboot.
Nach gut einer Stunde erreichten sie das Boot.
Kat kletterte ins Boot während die Männer es ins Wasser schoben.
„Ich rudere!“, sagte Morris und schwang sich zuerst in das Ruderboot.
Sie ruderten einige Meilen die Küste entlang als Halpin hinter einigen Bäumen Masten ausmachte.
„Geschickt versteckt in der kleinen Bucht“, sagte Halpin zu John und grinste breit.
Kurze Zeit später machten sie das Boot längsseits fest und kletterten die Strickleiter hoch.
„Wo warst du so lange?“, polterte die Stimme von Captain Bolger über das Deck.
„Wir hatten Probleme mit ein paar Soldaten und mussten uns verstecken, Captain, antwortete John. „Aber dafür habe ich eine gute Nachricht für euch.“
John gab Kat ein Zeichen, dass sie verschwinden sollte. Sie reagierte auch sofort und verschwand unter Deck.
„Wer sind die Beiden?“, fragte Bolger.
„Der alte Mann ist Teil der Nachricht und der Andere hat uns drei gerettet“, antwortete John.
„Man nennt mich Morris“, sagte der Leftenant. „Ich hatte eben Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, Captain.“
„Also Mister DeMoor, was für eine Nachricht?“, fragte der Captain.
„Lassen sie uns in ihre Kabine gehen. Der alte Mann muss mit.“
John schaute zu Morris: „ Such dir Arbeit an Deck bis eine Entscheidung getroffen wurde, was mit dir passiert.“
Kurz danach saß der Captain an seinem Schreibtisch, während John und Halpin davor standen.
„Was gibt es zu berichten, dass wir hier in der Kabine reden müssen?“
„Captain, Halpin hier ist im Besitz einer Karte.“
„Einer Karte?“ Bolger haute mit der Faust auf den Tisch. „Ich brauche niemanden, der eine Karte eines Schatzes vom Captain X oder Y hat.“
„Es ist kein Schatz, Captain“, antwortete John. „Mehr eine Waffe. Sie könnte uns helfen gegen Captain Black. Halpin, zeig dem Captain, was du mir gezeigt hast.“
Halpin griff in die Tasche und holte den kleinen Sack hervor. Er schüttete den Inhalt auf den Tisch. Der Haufen violett farbener Kügelchen formierte sich und schien sich umzuschauen. Halpin packte das Gebilde wieder in das Säckchen.
„Soll das die Waffe sein?“, sagte Bolger und schaute Halpin fragend an.
Der Alte lachte.
„Das ist eine Kuriosität, wenn ihr es so nennen mögt“, in seinen Augen blitze es listig, „wenn du gegen den schwarzen Herzog antreten willst, wird dieses kleine Ding wohl kaum ausreichen.“
Captain Bolger blickt ungehalten von einem zum anderen. Er hatte nie Grund gehabt an John DeMoor zu zweifeln, aber dieser verrückte Alte, dass war eine Spur zu viel.
„Was erzählst du da Alter?!“, polterte er. Er rückte seinen Stuhl nach hinten der mit einem heftigen Poltern umfiel. „Soll ich dich über die Planken laufen lassen, um dich zu Verstand zu
bringen.“
John überlegte sich vor Halpin zu stellen und ihn gegen den Captain in Schutz zu nehmen. Doch der alte Mann zeigte eine erstaunliche Reaktion.
„Erzähl du mir nichts über das Planken laufen, little Andrew!“, fuhr er den massigen Seemann an und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch, „hätte ich dich vor 40 Jahren nicht aus dem Wasser
gefischt, wärst du gar nicht mehr am Leben!“
Bolger schnappte nach Luft.
„Sie sind Lance Valmont!“, stotterte er, „Captain Lance Valmont.“
Halpin sagte nichts, lächelte nur.
„Sie sind seit 30 Jahren mit der Mannschaft der Aurora vermisst“, flüsterte Bolger, „alle halten sie für tot.“
„Das ist eine Ewigkeit her“, Valmont zog die Schultern hoch, „ich bin meine eigene Legende geworden.“
„Und eine sehr lebendige dazu. Wie mir scheint“, sagte John, der den Alten unverhohlen anstarrte. Jeder Seemann kannte die Geschichte der Aurora. „Warum diese Verkleidung? Der andere Namen?“
Valmont seufzte und sah in nachdenklich an.
„Wenn du erlebt hättest, was ich erlebt habe, hättest du vielleicht dasselbe getan.“
Vor dem geistigen Auge des alten Mannes zogen Bilder ungeheuerlichster Ereignisse und grotesker Schrecken vorbei, die ihn in den letzten drei Jahrzehnten ereilt hatten und die er, zu seinem eigenen Erstaunen, überlebt hatte. Alles nahm seinen Anfang auf der „roten Insel“. Er musste unbedingt dorthin zurück und das Undenkbare versuchen – die Zeit zurückzudrehen.

© Caroline Susemihl / T.R. aka Wortman

Die geheimnisvolle Insel Teil 8

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Durch die Fenster des Speisezimmers hatte man einen guten Blick über den Hafen von Porto Verde. Der Wind trug das Geräusch vom Doppelschlag einer Schiffsglocke herüber.
„4 Glasen“, murmelte Roallins. Er war etwas früher eingetroffen und stand mit dem Major am offenen Fenster. Jeden Moment musste Mister Weston eintreffen.
Sie brauchten nicht lange zu warten. Nach kurzer Begrüßung und Vorstellung saßen die drei Männer am Tisch und das Abendessen wurde serviert.
„Mister Weston, was treibt sie nach Porto Verde“, fragte Roallins im versucht freundlichem Ton.
„Das ein oder andere Geschäft und eine private Angelegenheit“, antwortete der Kaufmann. „Und was treibt sie hierher, Captain?“
„Die Piraten in der Umgebung. Ich werde sie vernichten und ihre Verbindungen zerstören.“
„Da können Sie sich mit dem Major zusammentun. Er versucht das gleiche hier.“
„Meine Methoden sind andere als die des Captains“, warf der Major ein. „Aber sie funktionieren auch.“ Der Major schaute Weston an. „Das ausgesetzte Kopfgeld reist ihnen voraus Mister Weston.“
„Kopfgeld?“ Roallins wurde hellhörig. „Worum geht es? Diese Nachricht muss an mir vorbeigegangen sein.“
Kein Wunder, dachte Stapelton. Beim Abschlachten hat man kein Gehör für Nachrichten.
Der Kaufmann lehnte sich zurück.
„Meine Braut hat es vorgezogen, wegzulaufen statt mich zu heiraten. Ich will sie zurückhaben. Ich habe eine Menge Geld für dieses Miststück bezahlt.“
Roallins nickte und unterdrückte ein Grinsen. Dass ein junges Mädchen beim Anblick des aufgedunsenen alten Knackers die Flucht ergriff, wunderte ihn nicht.
„Glauben Sie, die ist hier untergetaucht?“
„Das wurde mir berichtet. Deswegen kam ich her. Außerdem kann ich meinen alten Freund Major Stapelton besuchen.“
Der Major nickte nur leicht.
„Nun“, sagte der Captain, „meine Männer kommen morgen hier an. Wenn wir unseren Auftrag erfüllt haben, schauen wir uns gerne mal um.“
Weston grinste boshaft: „Das ist ein Angebot, Captain.“

***

„Wohin wollen sie?“, fragte John Morris angriffslustig.
Er schob sich zwischen den Leftenant und die Kellertür.
„Ich will wissen, was da oben vorgeht.“
„Du willst uns verraten, du Mistkerl“, John zog seinen Dolch und setzte ihm die Spitze an die Kehle.“
Morris zuckte mit keiner Wimper.
„Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich euch den Soldaten überlassen können, das Kopfgeld kassiert für dich kassiert und wäre weit, weit weg“, sagte er ruhig.
„Also, was dann?“
John drückte das Messer tiefer in Morris Kehle.
„Ich will nachsehen, wie viele Männer sich in der Garnison befinden. Damit wir endlich hier rauskommen.“
„Ich gehe mit“, knurrte John, „ich habe keine Lust meinen Kopf in der Schlinge sehen.“
„Natürlich“, Morris verdrehte die Augen, „es würde wohl kaum auffallen, wenn zwei Vagabunden in der Garnison herumschleichen.“
Halpin legte John die Hand auf die Schulter.
„Lass gut sein Junge“, er blickte Morris mit zusammengekniffenen Augen an, „ich glaube, er wird uns nicht verraten.“ Er zog ein Amulett in Form eines Auges aus der Tasche, drückte es dem Leftenant auf die Stirn, bevor er sich wehren konnte und fragte, „das werden sie doch nicht, Junge?“
Morris schloss die Augen.
„Nein“, murmelte er.
Halpin blinzelte, zögerte kurz, dann steckte er das Amulett wieder ein und gab John ein Zeichen. Er ließ das Messer sinken. Morris schüttelte sich. Die Trance fiel von ihm ab.
„Bin gleich zurück“, sagte er und verschwand.
John schaute zu Halpin: „Was war das gerade mit dem Amulett?“
„Es hilft, Wahrheiten zu finden!“
„Dann hättest du ihn fragen sollen, wer er ist“, sagte John missmutig.
Halpin überlegte ob er John erzählen sollte, was er gesehen hatte, als das Amulett mit Morris in Kontakt gekommen war, andererseits war es nicht verkehrt, den anderen einen Schritt voraus zu sein.
„Lass gut sein, Junge. Das muss fürs erste reichen. Man sollte solche Artefakte nicht überbeanspruchen, sonst verkehrt sich ihre Magie ins Gegenteil.“
John bezweifelte das, doch er schwieg. Er traute niemand mehr und nahm sich vor, Morris und Halpin bei nächster Gelegenheit loszuwerden.

***

Captain Roallins verabschiedete sich am späten Abend.
Nachdem der Captain gegangen war, stand Weston auf und ging ans Fenster.
„Was macht meine Lieferung?“
Stapelton nahm eine Zigarre aus der Schublade.
„Die Ware hat gute Preise erzielt. Ihren Anteil habe ich in zwei Fässer verpackt. Die lasse ich Ihnen morgen auf ihr Schiff bringen.“
„Das höre ich gerne, Major. Ich gehe davon aus, dass die Cathrina auf dem Rückweg ist um neue Kräfte zu holen.“
„Das ist sie. Vor vier Tagen ist sie wieder gesegelt.“

© Caroline Susemihl / T.R. aka Wortman

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